Kommentar: Ankunft von Arinsal schlecht geplant

Evenepoel trägt Platzwunde mit Galgenhumor: “Weniger Gewicht“

Von Felix Mattis

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Remco Evenepoel (Soudal - Quick-Step) mit blutendem Kopf nach der Zielankunft in Andorra. | Foto: Cor Vos

29.08.2023  |  (rsn) – Am Abend konnte Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) über den Vorfall schon wieder lachen: Nachdem er im viel zu knapp bemessenen und mit Menschen vollgepackten Zielauslauf der 3. Vuelta-Etappe bei der Bergankunft von Arinsal in Andorra mit einer Polizeisprecherin kollidiert war und sich eine Platzwunde am Kopf zugezogen hatte, sprach der Belgische Meister als neuer Gesamtführender auf der Pressekonferenz zu den Medien.

"Es ist nur etwas Haut und etwas Fleisch am Kopf weg, aber das ist gut, weil ich jetzt weniger Gewicht für die Anstiege habe", sagte Evenepoel. Doch so witzig, wie er die Situation nun mit Galgenhumor schilderte, waren die Vorfälle der ersten drei Vuelta-Tage nicht. Denn Evenepoels Platzwunde ist letztlich nur ein weiterer Tiefpunkt in einer ganzen Reihe an organisatorischen Problemen bei der diesjährigen Spanien-Rundfahrt.

Angefangen hatte die Misere schon mit dem Teamzeitfahren am Samstag, das für die Abendstunden angesetzt wurde, was bei klarem Himmel wohl auch gerade noch gut funktioniert hätte. Die Schlechtwetterfront, die Barcelona am Wochenende heimgesucht hat, verdunkelte den Himmel aber deutlich und so wurde der kollkektive Kampf gegen die Uhr gerade für die spät startenden Teams zum Blindflug.

Die Vorgeschichte: Probleme schon am Sams- und Sonntag

Evenepoel fluchte schon dort im Ziel. "We don't see shit!", rief der Belgier und ließ sich auch von seinen Betreuern nicht beruhigen: "Nichts da 'cool down', wenn wir nichts sagen, ändert sich auch nichts", schimpfte er weiter und schlug dann noch wütend ein Mikrofon zur Seite, das ihn nervte.

Tagsdrauf dann gab es die Aufregung unter den Fahrern bereits vor dem Start: Sie hatten aufgrund des erneut sehr schlechten Wetters und aus Angst vor einer Sturzorgie bei den Organisatoren beantragt, die Zeitnahme für die Gesamtwertung bereits eingangs der Schlussrunde in Barcelona zu platzieren – knapp zehn Kilometer vor dem eigentlichen Zielstrich. Der Vuelta-Veranstalter Unipublic aber plante zunächst anders, wollte die Fahrer noch bis zur Kuppe des Montjuic 3,6 Kilometer vor dem Ziel auf Zeit fahren lassen.

In den Interviews der Fahrer vor dem Start waren diese daher erneut erbost. Evenepoel beschwerte sich, dass man den Fahrern gerade nach dem Vorabend mehr Respekt entgegenbringen sollte und zahlreiche seiner Kollegen stimmten zu: Oben auf der Kuppe die Zeit zu nehmen, sei zu spät. Letztlich entschied sich die Jury dann doch, dem Vorschlag der Fahrer zu folgen – aber leider nur teilweise. Zwar verlegte man die Zeitnahme auf neun Kilometer vor Schluss, Bonifikationen am Montjuic und im Tagesziel strich man aber nicht, so dass der Anreiz zum riskanten Fahren auf der Schlussrunde blieb.

Dass die Zeitnahmelösung für eine etwas krude Gesamtwertungs-Konstellation sorgte, weil die nicht bis ins Ziel durchgekommenen, aber bei der Zeitnahme noch vor dem Hauptfeld liegenden Ausreißer um Andrea Piccolo (EF Education – EasyPost) sich an die Spitze des Klassements schoben und der Italiener das Rote Trikot übernahm, störte die Fahrer weniger. Das war lediglich ein "Problem" der Außenstehenden.

Situation in Arinsal: Nicht zu viele Leute, sondern zu wenig Platz

Relevanter aus Fahrerperspektive wurde es dann mit der Ankunft in Arinsal wieder. Denn nach dem Bergaufsprint hatten sie eine höhere Geschwindigkeit auf dem Tacho, als es die Organisatoren wohl erwartet hätten. Jedenfalls fiel der Auslauf nach dem Zielstrich mit weniger als 100 Metern Länge arg knapp aus – und wurde mangels Platz am Zielort sogar noch mit vielen Menschen gefüllt.

Denn bei der Bergankunft, so berichteten mehrere Journalisten von vor Ort, konnte keine Mixed Zone für die Interviews errichtet werden. Stattdessen mussten alle Medienvertreter ihren Platz und ihre Gespräche in jenem abgezäunten Zielbereich suchen, in den sonst nur die Teambetreuer, Zielfotografen und die großen TV-Anstalten mit Live-Übertragungsrechten eintreten dürfen.

Diese Situation gibt es bei Bergankünften oft, allerdings hatte Arinsal eine Besonderheit: Die Fahrer tröpfelten nicht einzeln im Ziel ein, sondern sprinteten bis zum Zielstrich hinauf und nach der Linie ging es bergab in den Auslauf hinein. Bei anderen Bergankünften legt man den Zielstrich genau aus diesem Grund oft noch in den ansteigenden Teil der Straße und nicht erst auf die Kuppe.

Die Geschwindigkeit, mit der Evenepoel also nun bei den Betreuern und nun auch vielen anderen Menschen ankam, war daher für eine Bergankunft sehr hoch. All diejenigen, die nicht über einen Sieg jubelten, schafften es noch zu bremsen, Evenepoel aber verlor durch seinen Jubel die entscheidenden Sekunden und erkannte danach zu spät, dass es eng werden würde und er sofort hart bremsen müsse.

Fazit: Zielankunft schlecht geplant

Er steuerte in eine Lücke im Menschenknäuel hinein, eine Polizeisprecherin sah ihn nicht, wich deshalb nicht aus und es kam zum Zusammenstoß. Evenepoel überschlug sich und zog sich eine Platzwunde zu, die Polizeisprecherin verließ das Ziel später laut Eurosport-Reporter Sander Kleikers mit Schulterschmerzen und dem Arm in einer Schlinge, aber laut Röntgenaufnahmen wohl ohne größere Verletzung.

Allerdings: Selbst wenn die Frau ausgewichen wäre, hätte es wohl geknallt. Denn nur drei Meter hinter der Sprecherin standen die Absperrgitter vor dem Podium, in die Evenepoel nach seinem Salto auch so noch prallte. Hätte die Frau den Weg in letzter Sekunde freigemacht, wäre er wohl mit nahezu derselben Geschwindigkeit eben nicht in sie, sondern direkt ins Gitter gerauscht.

Unterm Strich blieb also festzuhalten: Evenepoel hätte sicher früher bremsen  können, wenn er von der Situation im Ziel gewusst hätte. Doch das große Menschenaufkommen innerhalb der Gitter und vor allem der viel zu enge Zielbereich an sich – eine Ausfahrt für die Fahrer gab es übrigens rechts hinter den Fotografen, aber da hätte man ums Eck fahren und das wohl erstmal wissen müssen – waren der Hauptgrund für den Vorfall, und damit also ein Fehler der Veranstalter.

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